Wie ist es denn, mit Alice Schwarzer zu arbeiten? – Interview mit Marcus Abel

Marcus Abel

Dieser Artikel ist aus der Reihe „Wir stellen uns vor“, in der wir alle Mitarbeiter im Palasthotel einmal vorstellen möchten. Die Interviews hat Ute Mündlein geführt und verschriftlicht, mit der wir ganz besonders gerne zusammen arbeiten. Wir veröffentlichen die Texte „in order of appearance“ der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Firma.

Wie ist es denn, mit Alice Schwarzer zu arbeiten? – Interview mit Marcus Abel

Marcus Abel sammelt und bloggt leidenschaftlich über seine Plattensammlung, die inzwischen mehrere Tausend Stück umfasst, Tendenz weiter steigend. Das hat mich stark an das Buch „High Fidelity“ von Nick Hornby erinnert. Darin diskutieren und philosophieren der Inhaber eines kleinen Londoner Plattenladens und seine beiden Mitarbeiter oft und gerne über irgendwelche, zum Teil obskuren Top-5-Listen. Aus diesem Grund musste ich auch Marcus die Frage stellen: Was sind eigentlich die fünf besten Alben für dich?

Ich habe außerdem die Gelegenheit genutzt nachzufragen, wie es denn sei, mit Alice Schwarzer zu arbeiten. In der Öffentlichkeit kennt man sie ja als streitbare Feministin. Marcus und Kim hatten die Ehre, sie beim Relaunch von Emma.de und AliceSchwarzer.de näher kennenzulernen und an ihr eine andere Seite zu entdecken. Um die Antwort vorwegzunehmen: Es ist fantastisch, mit Alice Schwarzer zusammenzuarbeiten. Mehr dazu im Interview.

„Auf WISO steuer:Sparbuch-Software möchte ich nicht mehr verzichten, außer eines meiner beiden Kinder wird Steuerberater.“

Was machst du bei Palasthotel?

Ich übernehme alles, was im Palasthotel anfällt. Von der Beratung über die Entwicklung und Schulung sogar bis hin zur Buchhaltung, die ich zusammen mit unserem Steuerberater mache.

Wie ist dein beruflicher Werdegang?

Ich habe Ende der 90er zunächst Naturwissenschaftliche Informatik studiert, bin dann aber in den Bereich Medieninformatik gewechselt. Das hat mich Anfang 2003 zum zweiten Bachelorstudenten der Universität Bielefeld gemacht. Kurz danach habe ich mit fünf anderen Studenten (unter anderem Benjamin Birkenhake und Sascha Hagemann) die Vorgängeragentur des Palasthotels gegründet: das Digitalkombinat.

An welchen Projekten hast du bei Palasthotel mitgearbeitet?

Mein erstes Projekt, an das ich mich erinnern kann, hieß: adoptier-deinen-abgeordneten.de – das hat es bis auf die re:publica 2012 und ins Morgenmagazin von ARD und ZDF geschafft. Das war ein Drupal-7-Projekt, bei dem ich das gesamte Frontend und Backend entwickelt habe.

Anmerkung: Auf der Webseite von Digitale Gesellschaft e.V, den Initiatoren des Projektes, heißt es: „Jeder Bundestagsabgeordnete entscheidet über netzpolitische Themen, auch wenn es nicht sein Fachgebiet ist. […] Daher suchen wir für alle 620 Abgeordneten Paten für individuelle Betreuungsverhältnisse.“ Die Webseite selbst ist inzwischen leider offline.

Mein erstes Projekt, das ich als Projektleiter mit Teamleitung fertiggestellt habe, sind die Webseiten von Emma.de und der inkludierte Blog AliceSchwarzer.de, beides Drupal-7-Projekte. Hier war am Ende tatsächlich die Projektkoordination die Hauptaufgabe, während die verschiedenen Palasthoteliers Frontend, Backend und Migrationsentwicklung gemacht haben.

Wie ist es denn, mit Alice Schwarzer zu arbeiten?

Fantastisch. Was viele nicht wissen, sie ist unheimlich gut im Gestalten. Sie hat ein unglaublich gutes Auge für Layout. Sie kommt zwar aus dem Printbereich, aber wir, also Kim und ich, haben sehr viel gelernt. Alice Schwarzer hat sich mit uns an den Screen gesetzt und gesagt: „Das hier muss noch etwas weiter auseinander. Das muss dunkler sein. Und das hier ist die völlig falsche Farbe, da müsst ihr die Farbe nehmen.“ Da konnte man beim Zugucken erkennen, wie die Seite besser und besser wurde. On the fly quasi.

Das war wirklich so beeindruckend, dass die Überlegung aufkam, ob man Frau Schwarzer einmal zu einem FH-Gestaltungskurs einlädt. Dass auch Studenten einmal einen Vortrag von ihr zum Thema Gestaltung bekommen und von ihrem Wissen profitieren. Wir haben uns aber letztendlich nicht getraut zu fragen.

Was würdest du gerne mal tun? Privat/beruflich?

Ich habe im Palasthotel und privat schon eine ganze Menge Sachen machen können. Aber wozu ich wirklich immer noch mal Lust hätte, wäre, die digitale Welt um ein eigenes Web-Produkt zu bereichern, etwa ein Spiel oder eine gute Magazinseite, so was wie der Postillon oder mite.yo.lk. Aber eigentlich habe ich auch das schon mit der Zeiterfassungssoftware „Mizekaze“ gemacht – nur nicht erfolgreich.

Was magst du an deinem derzeitigen Job?

Ich habe mir letztes Jahr vorgenommen, eine neue Technologie zu erlernen, iOS-App-Entwicklung oder Drupal 8. Letzteres ist es dann geworden. Ich habe ein Frontend und den Theming-Teil in der neuen Architektur von Drupal 8 erstellt, nach Vorlage eines komplexen Styleguides.

Was nimmst du dir für dieses Jahr vor?

Das weiß ich noch nicht. Eigentlich bin ich inzwischen zufrieden damit, wenn etwas läuft. Ich muss nicht tagelang versuchen, Sachen zu optimieren, die mir ein paar Minuten Arbeit sparen. Das hatte ich mit Mitte 20. Aber wer weiß, vielleicht reizt mich ja doch noch etwas.

Welche Trends siehst du im Bereich Webdesign/Entwicklung/Online?

Ich bin nicht so visionär, was Webtrends angeht. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir in Kürze nicht nur Webtechnologie für Screens entwickeln, sondern eventuell auch für andere Dinge – für Things sozusagen. Vielleicht für einen Legoroboter …

Auf welche Tools kannst, willst du nicht mehr verzichten?

Die „WISO steuer:Sparbuch“-Software. Auf die möchte ich nicht mehr verzichten, außer eines meiner Kinder wird Steuerberater.

Welche Blogs sollten andere Leute auch lesen? 

Ich lese gar nicht gerne, auch Blogs eher selten, aber die Blogs von unseren Palasthoteliers und Freunden mag ich gerne.

s-head05

Du bloggst selbst privat über Platten. Wie viele LPs hast du eigentlich?

Etwa vier Meter 12″ im Regal und sechs Einkaufstüten voll mit B-Ware auf dem Dachboden und einen Karton voll mit ca. 300 kleinen 7″. Wie viele sind das wohl? Tausende.

Welche fünf Platten sollten Leute unbedingt mal gehört haben? 

Die Frage ist wirklich fies. Denn allein im Jahr 2005 gibt es zehn Platten, die ich empfehlen könnte.

Grundsätzlich würde ich unterschiedlichen Leuten fünf unterschiedliche Platten empfehlen. Jemandem, der gerne 80er Pop hört, würde ich das neueste Camouflage-Album „Greyscale“ empfehlen. Jemandem, der Elektromusik mag, Massive Attacks „100ths Window“ und jemandem, der beides gut findet, sollte mal in „The Understanding“ von Röyksopp reinhören. Ich merke gerade, darüber habe ich noch gar nicht gebloggt.

Ansonsten sollte man „Achtung Baby“ von U2 gehört haben, „Waiting for the Sirens Call“ von New Order, „Disintegration“ von The Cure, „Actually“ von den Pet Shop Boys und ganz sicher „Violator“ von Depeche Mode. Wenn die Laune dann zu düster ist, „Chorus“ von Erasure. Okay, man sollte noch viel mehr gehört haben und auch ganz bestimmt noch fünf andere, aber ich mache zwischendurch ja Listenings mit Musikfreunden.

Das wäre übrigens auch ein Projekt, das ich gerne mal machen würde: Listenings mit Freunden. Ein Plattenspieler, zwei gute Boxen und dann hört man den ganzen Abend zusammen Musik. Am Karfreitag 2015 haben wir mit einigen Freunden, die eine hohe Affinität zu Musik haben, beispielsweise den ganzen Tag Musik von und mit Johnny Marr gehört. Das war wirklich gut. Mal schauen, ob das auch 2016 klappt.

Bestimmst du eigentlich die Musikauswahl bei Palasthotel in Bielefeld? Ihr bastelt ja immer fleißig Lego an Launch-Tagen, wird dabei dann Musik gehört? 

Nein, das wäre sicherlich für alle das Beste (lacht). Aber nein. Das darf jeder gerne mal machen. Ich leide da am wenigsten darunter, wenn ein anderer die Musik macht, da ich mit vielem etwas anfangen kann – alt wie neu, langsam wie schnell, Gitarre wie Elektro, Gesang. Okay, Geschrei nur, wenn Scooter schreit.

Welche Platte wolltest du immer schon mal besitzen, aber hast sie bislang noch nicht bekommen? 

Meinen verrücktesten Tonträgertraum, nämlich Depeche Modes „Violator“ sowohl als MC, CD, LP als auch MiniDisc zu haben, habe ich mir letztes Jahr mit dem Zukauf der MiniDisc erfüllt. Eine Platte, die ich gerne noch hätte, ist das 2004er Debütalbum von Keane „Hopes & Fears“. Das wird aber leider in der Regel für 250 EUR und mehr verkauft, da die Auflage klein war. Ansonsten habe ich – mal mehr, mal weniger – das Gefühl, von dem alten Zeugs alles zu haben, was ich haben sollte. Außer eben …

Den Titel „Vinyl des Jahres“ vergibst du jedes Jahr. Wie wird eine Platte zum Vinyl des Jahres? Hast du da Kriterien?

Das ist total schwierig. 2015 waren vier Platten in der engeren Auswahl. Es wurde dann letztlich New Order mit „Music Complete“.

Ein Kriterium für mich war: Gab es dazu irgendwelche besonderen Momente? Auf die New Order-Platte habe ich mich beispielsweise das ganze Jahr gefreut. Und dann hat die mich auch nicht enttäuscht.

Es gibt dann ja noch den Track des Jahres. Da ist auf dem Camouflage-Album ein Track, den meine Kinder so sehr geliebt haben, weil ich den so toll fand. Das haben die Kinder den ganzen Urlaub lang gesungen, beim Buddeln im Sand. Das hat richtig gute Laune gebracht. Es hat auch eine Art Sehnsucht überbrückt, denn im Urlaub habe ich auch meine Platten nicht dabei. Das ist schön blöd, wenn man seine Musik nicht dabei hat – weder analog noch digital. Und im Rückblick konnte ich sagen: Dieses Lied hat mir 2015 was gegeben. Das ist der Track des Jahres.

Wie kam es zu dieser Plattenleidenschaft?

Die kommt von meinem Vater. Der hatte ein altes Tonbandgerät, mit dem man damals schon richtig lange Musik aufnehmen konnte. Er hat damit Radiosendungen in voller Länge aufgenommen und dann die Lieder, die ihm gefallen haben, auf ein anderes Tonband überspielt. Das waren bestimmt 25 Bänder mit jeweils 4 Stunden Musik.

Er besitzt natürlich auch eine Plattensammlung. Der hat auch so Sachen gemacht wie das Entlassungsgeld, das er damals nach Abschluss des Wehrdienstes bekommen hat, direkt in irgendeine Beatles-Super-Edition zu investieren. So etwas Verrücktes könnte ich mir auch direkt nach einem Launch vorstellen.

Last but not least. Du unterrichtest an der Uni. Es gibt ja, vermutlich solange die Menschheit denken kann, die Überzeugung, dass die Jugend von Heute nichts taugt, dass früher alles besser war. Wie schätzt du deine Studenten ein, die man wohl alle als Digital Natives bezeichnen kann.

Die sind total aufgeschlossen. Ich unterrichte „Grundlagen Analoges Gestalten“ für Studenten der Medieninformatik an der Uni Bielefeld. Bei dem Studiengang geht es ja darum, über den Tellerrand hinauszublicken in Richtung Horizont. Ein paar arbeiten inzwischen auch bei uns.

In meinem Kurs entwickeln die Studenten noch Bilder im Fotolabor und merken, dass es halt nicht so einfach ist wie mit Photoshop. Oder wir schnitzen Buchstaben aus Holz, und sie lernen, dass Serifen durchaus ihre Berechtigung haben. Für die meisten ist so etwas ein echtes Aha-Erlebnis. Daher: Die Studenten in dem Bereich sind neugierig, wissbegierig und an vielem interessiert.

Danke, Marcus, das hat viel Spaß gemacht.

dto. 🙂


Alle Beiträge der Serie 'Wir stellen uns vor'

  1. „Die gedruckte Seite wird bald vorbei sein“ – Interview mit Benjamin Birkenhake
  2. „Einmal englischer Nationalspieler sein“ – Sascha Hagemann im Interview
  3. Wie ist es denn, mit Alice Schwarzer zu arbeiten? – Interview mit Marcus Abel
  4. „Mehr Weißraum“ – Kim Meyer im Interview
  5. Wie man es schafft, schneller Code zu schreiben – Interview mit Enno Welbers
  6. „Nicht weit weg vom Puls der Zeit“ – Interview mit Stephan Kroppenstedt
  7. „Viel bewegen!“ – Interview mit Edward Bock
  8. Wie das Smartphone hilft, bessere Fotos zu machen – Interview mit Julia Krischik
  9. Einfach machen und anfangen – Interview mit Jana Eggebrecht
  10. Wissen wollen, was die (Entwickler)-Welt im Innersten zusammenhält – Interview mit Arne Seemann
  11. Wie ist es, mit so vielen Nerds zusammenzuarbeiten? – Interview mit Anne-Birga Niepelt
  12. Warum ich lieber im LA der 80er Jahre aufgewachsen wäre – Interview mit Jule Härtel
  13. Die Welt ein bisschen schöner machen – für sich und vielleicht auch für andere – Interview mit Matthia Tiemeyer
  14. Was ist eine Zahnarztallee? – Interview mit Sebastian Srb
  15. Wie wurdest du zum Party-Mönch? – Interview mit Benjamin Böcker

Schreib eine Antwort

Deine E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Ähnliche Beiträge